Scheitert Künstliche Intelligenz an den (zu) hohen Kosten?
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat unsere Welt schon verändert und wird es noch sehr viel mehr tun, daran besteht kaum ein Zweifel. Aber wenn man sich einzelne Projekte, insbesondere in der sogenannten Industrie 4.0 genauer anschaut, muss man feststellen, dass die Kosten für die Entwicklung sehr hoch sind. Die Autoindustrie hat sich zum Beispiel von der Idee eines komplett selbstfahrenden Autos nach anfänglicher Euphorie wieder verabschiedet.
Kann es sein, dass KI an den hohen Kosten scheitert?
In den 1950er Jahren glaubte man an raketen- oder atomgetriebene Flugautos, die technisch durchaus machbar gewesen wären. Aber der Entwicklungsaufwand war eben im Vergleich zum Vorteil, den sie gegenüber den guten alten Verbrenner-Autos hätten, zu gering. Damals. Heute denkt man wieder an Flugtaxis und würde mit atomgetriebenen Autos zumindest keine Klimaschäden produzieren.
Die Entwicklungskosten bei der KI sind enorm, aber es gibt noch andere Hürden. Es gibt schon zahlreiche weit entwickelte KI-Systeme, aber ihre Implementierung ist ebenfalls mit hohen Kosten verbunden. Wie jedes neue System muss es angepasst und verwaltet werden. Dafür werden natürlich Ressourcen benötigt. Eine Implementierung scheitert also möglicherweise nicht an den reinen Kosten, sondern daran, dass sie aufgrund mangelnder Kapazitäten gar nicht erst stattfinden kann.
Für die Entwicklung und die Implementierung von KI, benötigt man nämlich vor allem IT-Entwickler, die aber am Markt nicht zu finden sind. Die benötigten Kapazitäten werden auch mittelfristig mit Umschulung und Einwanderung nicht zur Verfügung gestellt werden können.
Auch die Strukturen auf unternehmerischer Seite sind nicht gut geeignet, die Einführung von KI auf breiter Front zu befördern. Oftmals wird die Digitalisierung oben drauf gepfropft, das wird schon irgendwie top-down ins Unternehmen hineinwurzeln. Besser wäre es, die Digitalisierung und damit auch KI als integralen Bestandteil des Unternehmens und vor allem seiner Produkte und Dienstleistungen zu sehen.
Ein kritischer Blick auf die vielgerühmten Start-ups ernüchtert ebenfalls. Ungefähr 80 Prozent davon scheitern innerhalb von drei Jahren. Natürlich ist es gut, wenn man den Mut hat, Fehler zu machen und zu scheitern, aber es entsteht trotzdem ein Haufen versunkener Kosten. Gunter Dueck nennt es das Zeitalter der Überinnovation:
Das heißt, wir erzielen eine Verbesserung der Welt sehr schnell, aber wir verbrennen unnötig viel Geld damit …
KI ist ein weites Feld, ob und wo sie sinnvoll einsetzbar ist, kann ein Unternehmen nicht ohne Weiteres abschätzen. Aber wenn man dabei sein will, muss man halt mal machen. Soweit richtig, aber die Gefahr ist groß, sich dabei zu verzetteln. Viele Projekte arbeiten an der Lösung identischer oder ähnlicher Probleme und kannibalisieren sich dabei gegenseitig.
Es bedarf trotz aller Hands-on-Mentalität einer gut durchdachten Strategie und auch einer Konzentration auf die wesentlichen Ziele. Was will ich denn überhaupt mit dieser spezifischen KI-Anwendung erreichen? Ist das wirklich die richtige Richtung, oder vermute ich nur, dass es irgendwie schon hinhaut?
Milliarden an Staatsförderung versickern in misslingenden Forschungsprojekten, die allenfalls der mittelfristigen Strukturhilfe dienen. Es ist ähnlich, wie Henry Ford es für die Werbung sagte:
Fünfzig Prozent bei der Werbung sind immer rausgeworfen. Man weiß aber nicht, welche Hälfte das ist.
Das weiß man beim Start-up oder dem Forschungsprojekt eben auch nicht und es sind sogar mehr als 50 Prozent, die man verliert.
Aber selbst mit allem guten Willen und gebündelten Kräften der KI-Befürworter, steht ihnen, wie bei allen wirtschaftlichen Großprojekten, eine breite Front der Ablehnung entgegen.
Die verzweifelten Versuche Europas im Bereich KI Anschluss zu halten, werden von einer generellen, besonders deutschen Ablehnung der Innovation konterkariert. Datenschutz ist hier oft der Hebel, mit dem man die bedrohliche Digitalisierung aus der Bahn werfen will. Wie der Brandschutz, kostet auch der Datenschutz Geld und wenn man es übertreibt, kostet er viel Geld.
Um eventuellen Fehlschlüssen hier gleich entgegen zu treten: Ich bin weder für atomgetriebene Autos, noch gegen Datenschutz und ich habe auch nichts gegen Start-ups. Die Kosten der Innovation, und damit meine ich nicht nur die monetären, sind sozusagen immanent und somit häufig unvermeidlich, aber sie könnten bei einer richtigen Fokussierung und einer durchdachten Strategie besser genutzt werden. Die Potenziale ziehen sich von intelligenten Office-Lösungen bis hin zu komplexen Produktionsprozessen der Smart Factory durch die ganze Wertschöpfungskette. Richtig gehoben, überwiegen diese Potenziale die Kosten von KI bei weitem und würden unsere Welt viel besser machen. Lassen wir der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz nicht auf halber Strecke die Luft ausgehen, weil die Initialkosten zu hoch sind; das wäre wirklich schade.
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