Sind Technische Redakteure in Zeiten von KI und Industrie 4.0 noch nötig?
Nicht Berufe, sondern Tätigkeiten werden automatisiert
Gefühlt reden in den vergangenen Jahren und aktuell alle von Künstlicher Intelligenz oder Industrie 4.0. Maschine Learning, Intelligent Information, Internet der Dinge (IoT) und Artifical Intelligence sind ständig wiederkehrende Schlagwörter. Eins ist sicher, diese Themen haben erhebliche Einflüsse auf unser aller Arbeitsleben – in allen Bereichen. Auch an der Technischen Dokumentation wird dies nicht vorbeigehen. Und das ist auch gut so, denn trotz möglicher Risiken, die man natürlich nicht vernachlässigen darf, bieten sich vor allem auch Chancen!
Bestimmt gibt es die Angst, dass Industrie 4.0 bzw. die Digitalisierung viele Berufe vernichtet. Laut einer Veröffentlichung zu Robotik/Intralogistik (06/2017) vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) werden die Auswirkungen der Digitalisierung kontrovers diskutiert: Die einen prognostizieren den Wegfall menschlicher Arbeit, die anderen verbinden mit Industrie 4.0 die Hoffnung auf neue Geschäftsfelder. Laut VDMA sind die Studien so für Deutschland aber unbrauchbar. Auch deshalb, weil nicht ganze Berufe, sondern Tätigkeiten automatisiert und damit digitalisiert werden können. In der gleichen Veröffentlichung äußert sich Prof. Julie Shah vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) dahingehend, dass es bei der Technologie nicht um das Ersetzen menschlicher Arbeit ginge, sondern um die optimale Nutzung der Stärken – von Menschen und Maschinen bzw. Robotern. Denn damit ließen sich höhere Stufen der Effizienz und Produktivität erreichen, als wenn jeder auf sich alleine gestellt wäre. Diese Synergien könnten auch beim Fachkräftemangel helfen. Grundlegende Tätigkeiten, die zigfach an verschiedenen Produkten durchgeführt werden, ließen sich vielleicht automatisiert beschreiben, aber spezielle Einzelfälle nicht. Vor allem die Reduktion der Produktkomplexität auf die für die jeweilige Zielgruppe erforderliche Ebene ist eine Aufgabe, die ein Roboter – oder ein Algorithmus – nicht so einfach wird lösen können – aber ein (gut) ausgebildeter Technischer Redakteur.
Technische Redakteure nicht arbeitslos
Auch wenn Produkte künftig so entwickelt werden, dass alles selbsterklärend ist, weil Konstrukteure schon auf User Experience (UX) / User Interface (UI) achten und ggf. benötigte Informationen bereits passend auf dem jeweiligen Display (Maschine, Tablet, Smartphone) angezeigt werden (Stichwort iiRDS) – Technische Redakteure werden trotzdem nicht arbeitslos! Gerade jetzt bzw. dann ist es umso wichtiger, Fachleute zu haben, die kleine Informationsbausteine korrekt und zielgruppenorientiert erstellen können, ohne vorher genau das Einsatzszenario zu kennen.
Modularisierung, Strukturierung, Zielgruppenorientierung und Metadaten sind wichtiger denn je. Ohne diese Vorarbeit kann eine Künstliche Intelligenz die vorliegenden Informationen nicht sinnvoll nutzen, hier braucht es die „Hirnleistung“ der Redakteure.
Ich persönlich glaube nicht, dass durch die Automatisierungsflut auch der Beruf des Technischen Redakteurs gefährdet sein wird. Denn während sich komplizierte Sachverhalte durch Wissen lösen lassen, braucht es für komplexe Sachverhalte den menschlichen Geist und sein Entscheidungsvermögen.
Der tekom-Kompetenzrahmen für das Berufsbild des Technischen Redakteurs fokussiert auf Kompetenzen und Umsetzung von Wissen. Er ist allgemeingültig angelegt und orientiert sich am Prozess der Informationsentwicklung. Tools werden nicht vorgegeben, sie verändern sich (zum Teil) sehr schnell. Was nützt außerdem ein Tool (sprich: ein Werkzeug!), wenn man es nicht bedienen kann, also nicht weiß, warum man etwas tut. Der Kompetenzrahmen zeigt auch gut die Breite des Arbeitsspektrums im Umfeld der Technischen Dokumentation.
Pendler zwischen Technik und Sprache
Aufgrund schnellerer Entwicklungszyklen, aber auch einer immer komplexeren – unvorhersagbareren – Welt (Stichwort VUCA) ändern sich auch die Arbeitsbedingungen der Technischen Redakteure: mehr Schnittstellen, mehr und schneller auf Änderungen einstellen, geänderte Pläne (Stichwort AGILE). Das ist aber alles nichts Neues für Redakteure, sondern quasi Tagesgeschäft 😉 Deshalb können sie hier und jetzt ihre Mehrfachlichkeit (als Kompetenzen) ausspielen. Sie sind Pendler zwischen Sprache und Technik und können auch deshalb z.B. mit Entwicklern und Marketing-Spezialisten gut zusammenarbeiten. Sie sind gewissermaßen ein verbindendes Element zwischen beiden Welten, weil sie „beide Sprachen sprechen“.
Fazit
Die Jobaussichten im Bereich der Technischen Dokumentation sind gut, um nicht zu sagen hervorragend. Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert von qualitativ hochwertiger Technischer Dokumentation und möchten Fachkräfte in diesem Bereich haben.
Vielleicht würde es auch helfen, wenn man die Bezeichnung überdenkt, die den aktuellen und künftigen Tätigkeiten Rechnung trägt. Denn in vielen Unternehmen ist der Job eher Informationsdesigner oder -entwickler – oder -manager … weniger klassische Redakteursarbeit in der Dokumentenerstellung.
Aber wer weiß schon, was in der Zukunft gebraucht wird. Dafür müsste man ja in der sogenannten Glaskugel lesen können. Dann könnte man sagen, „was es geben sollen wird“ …
Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Wie prägen Intelligente Informationen unsere Zukunft„ teil.
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